Begehrter Junggeselle

Begehrter Junggeselle

Erschienen: 4. Oktober 2019

Pünktlich vor der FBM

Kann man sich in eine Stimme am Notruf verlieben? Susanne kann das. Auch wenn ihr die Angst die Luft zum Atmen raubt, treibt Ihr das Timbre in der tiefen Stimme des Mannes am anderen Ende der Leitung einen Schauer den Rücken hinunter.
Wie es wohl wäre, wenn ihr der Kerl mal gegenüberstehen würde?

Leseprobe:

Susanne

Ich drückte den Rufknopf des Aufzuges. Ganz allein in den Fahrstuhl einzusteigen hasste ich. Ich hatte Angst, darin stecken zu bleiben. Meine Hände fühlten sich klamm an und ich strich sie mir an der Jeans trocken.

Als sich die Tür öffnete, stieg ich ein und wählte den Knopf mit der sieben. Diese Enge hier fand ich beklemmend.
Langsam schloss sich die Tür und der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. Nach einigen Sekunden gab es ein kreischendes Geräusch. Mit einem Ruck hielt er an und das Licht flackerte. Über der Tür blinkte die Stockwerksanzeige.
»Verdammt, was ist das jetzt für ein Mist!« Meine schlimmsten Befürchtungen wurden wahr. Ich war eingesperrt in diesem engen Käfig. Auf der Stirn bildete sich eiskalter Schweiß. Die Angst raubte mir die Luft zum Atmen.
Warum hatte ich nicht die Treppe genommen? Mir wurde übel, mein Magen rebellierte.
Hastig drückte ich alle Knöpfe auf der Steuerung. Als ich den mit der Glocke traf, schaltete sich eine Ansage ein.
»Einen Moment Geduld, Sie werden gleich mit einem Mitarbeiter verbunden.« Es piepte ein paar Mal in der Kabine.
»Die Notrufzentrale. Ist jemand im Aufzug?«
Eine tiefe Männerstimme sprach mich an. Ihr Timbre trieb mir einen Schauer den Rücken hinunter, in meinem Kopf kribbelte es. Zitternd antwortete ich dem Fremden.
»Ich… der… ich glaube, ich… stecke hier fest. Mein… der Chef… wartet auf mich.«
»Es kann nichts passieren, beruhigen Sie sich. Der Aufzug ist zwischen den Etagen stehen geblieben. Sie sind sicher, haben Sie keine Angst. Gesundheitlich ist bei Ihnen alles in Ordnung?«
Der rauchige Unterton in dieser Stimme ließ mich erzittern. Der Kerl hatte die Ruhe weg. Mir lief der Schweiß in kleinen Rinnsalen die Schläfen hinab. Die Gedanken flogen wie in einem Karussell umher. Was für ein Kerl steckte hinter diesem tiefen Bass?
Meine Stimme überschlug sich, als ich antwortete. »Ich… ich habe Angst, ich bekomme kaum Luft und mir ist… schlecht.«
»Brauchen sie einen Arzt, soll ich einen Krankenwagen schicken?«
»N… nein, holen sie mich hier raus! – Rufen Sie in der Firma an! M… mein Chef muss … muss wissen, dass ich später komme.«
»Wenn Sie mir die Telefonnummer geben, erledige ich das gerne. Bitte sagen Sie mir Ihren Namen und den Ihres Chefs.«
»Frau von Lyndberg, Herr Zorn von der Firma Acuba erwartet mich.«
»Jetzt bitte die Rufnummer.«
Vor Nervosität zupfte ich am Reißverschluss meiner Tasche herum und nannte ihm die Nummer.
»Bevor ich Ihnen Hilfe besorge, versuchen wir noch etwas. Legen Sie bitte die Handflächen auf die Metallflächen und drücken Sie die Tür in Schließrichtung einmal kräftig zu. Da fehlt manchmal nur der Türkontakt.«
»D… die Tür ist doch zu!« Piepsig kam der Einwand über meine Lippen.
»Bitte versuchen Sie es trotzdem.« Die Stimme am anderen Ende der Leitung hörte sich zuversichtlich an.
Ich atmete tief ein und wieder aus, dann folgte ich seinen Anweisungen. Im Aufzug erklang erneut dieses beängstigende Geräusch, und die Kabine setzte sich in Bewegung.
Ich schloss die Augen und sog meine Lungen voll Luft. Ich konnte es immer noch nicht glauben.
»Sie sind ein Engel! Der Fahrstuhl fährt.« Diese mysteriöse Stimme hatte mich davor bewahrt, auszurasten.
»Der Engel sind Sie! Ich gab nur einen Tipp und werde in der Leitung bleiben, bis Sie ausgestiegen sind.« Der Mann von der Notrufzentrale klang amüsiert. Dabei war mir gar nicht nach Scherzen zumute.
»Die Tür öffnet sich. Vielen Dank.« Erleichtert entwich mir ein Seufzer.
»So soll es sein. Sie steigen bitte aus, einen schönen Tag noch.« Es piepte dreimal, dann war die Leitung tot.